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Rotation, Scherung, Wärme und

Druck – das braucht es zur Com-

poundierung von Kunststoffen

mithilfe von Doppelschnecken-

extrudern. Schon seit langem

haben sich die Spezialmaschinen

in der Kunststoffproduktion

bewährt. Aus Forschungssicht

blieb bisher allerdings die Frage

unbeantwortet, welche Mecha-

nismen beim Anschmelzen und

dem damit verbundenen Ener-

gieeintrag in die Schmelzzone

wirken. Wissenschaftlern aus

dem Leistungsfeld Polymertech-

nik des Fraunhofer-Instituts für

Betriebsfestigkeit und System-

zuverlässigkeit LBF ist es

gelungen, mit innovativen

Messtechniken einen Einblick in

diese Prozesse zu gewinnen.

I

hre Erkenntnisse werden der Compoun-

dier-Industrie in Zukunft eine material-

und prozessspezifische Gestaltung der

Schmelzzone ermöglichen. Unter ande-

rem wird es bei gleicher Prozesssicher-

heit möglich sein, den Energieeintrag in

das Polymer auf das notwendige Mini-

mum zu reduzieren und den gesamten

Prozess wesentlich profitabler zu gestal-

ten. In dem optimierten Prozess wird das

Polymer thermisch und mechanisch we-

niger beschädigt, was wiederum die me-

chanischen Eigenschaften und die che-

mische Beständigkeit des Produktes ver-

bessert und die Emissionen reduziert, die

durch die Verarbeitung entstehen. Mehr

dazu auf dem Messestand des Fraunho-

fer LBF auf der K 2016.

Für die Compoundier-Industrie hat das

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Compoundieren

Extrusion 6/2016

initiale Aufschmelzen eine große Bedeu-

tung, da bis zu 80 Prozent der gesamten

Energie in der Plastifizierzone und hier

speziell in der ersten Knetblockstufe ein-

gebracht wird. Ein optimierter bezie-

hungsweise minimierter Energieeintrag

hätte daher ein vielversprechendes Po-

tenzial, die Wirtschaftlichkeit zu verbes-

sern und die Materialeigenschaften

durch eine schonendere Verarbeitung zu

verbessern.

Plastische Deformation wird sichtbar:

Für die systematische Untersuchung des

Energieeintrages in der Aufschmelzzone

gleichläufiger Doppelschneckenextruder

hat das Fraunhofer LBF ein neuartiges

Werkzeug entwickelt, mit dessen Hilfe

sich der Querschnitt der Plastifizierzone

visualisieren lässt. Dazu setzen die Wis-

Compoundierprozess optimieren

senschaftler eine Hochgeschwindigkeits-

kamera ein. Mit einer Auflösung von

2.000 Einzelbildern pro Sekunde konn-

ten sie erstmalig die Bewegung, Defor-

mation und das initiale Aufschmelzen

von Kunststoffgranulaten darstellen, do-

kumentieren und bewerten. Diese Auf-

nahmen wurden mit einer hochauflösen-

den Drehmomenten-Messung kombi-

niert. Auf diese Weise lässt sich nun der

mechanische Energieeintrag ortsaufge-

löst jedem visualisierten Zustand zuord-

nen und die theoretische Temperaturer-

höhung berechnen.

Mit ihrem neuartigen Blick in die Auf-

schmelzzone konnten die LBF-Wissen-

schaftler beispielsweise die plastische

Deformation eines Polypropylengranula-

tes beobachten und dokumentieren. Es

zeigte sich, dass das Granulat durch eine

massive plastische Deformation zum Flie-

ßen gebracht wird und lokal initial inner-

halb von Sekundenbruchteilen plastifi-

ziert. Dabei wird das Granulat zunächst

zwischen der aktiven Flanke und der Zy-

linderwand verklemmt. Anschließend

folgt eine Deformation, welche in zwei

Phasen eingeteilt werden kann: Zunächst

Versuchsaufbau zur Visualisierung der plastischen Deformation von

Kunststoffgranulat

(Fotos: Fraunhofer LBF)

Verkeilen des Granulates im Zwickelbereich, Kompression des Materials in das

freie Volumen, Deformation des kompaktierten Kunststoffgranulates