Extrusion 5-2020

Auslegung von Vorstreckstempeln Die Auslegung von Vorstreckstempeln ist aufgrund vieler Material- und Prozesspa- rameter nicht trivial. Die resultierende Wanddickenverteilung bei Stempeleinsatz hängt signifikant vom eingesetzten Folienmaterial sowie den Eigenschaften des Vorstreckstempels ab. Stempeleigenschaften wie Geometrie, Stempelmaterial sowie die damit verbundenen Reib- bzw. Haft- eigenschaften der Materialkombinationen von Halbzeug und Stempelmaterial weisen einen besonders großen Einfluss auf die resultierende Dickenverteilung auf. Zusätzlich stellt die Fo- lientemperatur eine signifikante Prozessgröße dar [HW03, MM10, Mos13, Sch15a]. Da Kunststoffe ein stark temperatur- abhängiges Umformverhalten aufweisen, reichen je nach Fo- lienmaterial bereits geringe Temperaturunterschiede aus, um die Wanddickenverteilung der resultierenden Formteile signifi- kant zu verändern. Neben dem Formänderungsverhalten wer- den auch die Kontakteigenschaften zwischen Folie und Stem- pel von der Folientemperatur stark beeinflusst, da auch Haft- und Gleitreibungskoeffizienten stark temperaturabhängig sind. Durch diesen Zusammenhang werden nicht nur die Verstreck- widerständer der Folie beeinflusst, sondern auch die benötigte Kraft um den Kunststoff vom Stempel während des Verstreck- prozesses abzuziehen [CHM02, HW03, IS16, MCO13, MM10, MMH06, OMS+13]. Der Einfluss der Folientemperatur auf die resultierende Wanddickenverteilung bei verschiedenen Vor- streckstempelgeometrien ist bisher kaum systematisch er- forscht und stellt daher den Fokus dieser Veröffentlichung dar. Versuchsdurchführung und -umgebung zur Herstellung der Formteile Vor diesem Hintergrund wurde die Stempelverstreckung auf- grund des komplexen Zusammenspiels von Stempelgeometrie und Folieneigenschaften sowie -temperaturen systematisch un- tersucht. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf einem vertiefen- den Prozessverständnis des Thermoformens, um eine material- effiziente Wanddickenhomogenisierung reproduzierbar einstel- len zu können. Um die Einflüsse von Stempelgeometrie und Fo- lientemperaturen zu analysieren, werden im Folgenden die Konstruktion bzw. Geometrien der Vorstreckstempel, die ver- wendete Anlagen- und Werkzeugtechnik so- wie die Versuchsdurchführung beschrieben. Das ausgewählte Formteil zur Analyse des Einflusses der Stempelgeometrie sowie Fo- 35 Extrusion 5/2020 Bild 2: Darstellung der Wanddickenverteilung eines ohne Stempel, nur mit Formluft ausgeformten Becherformteils (PS, 120 °C) [HB18, HB19] lientemperatur auf die Wanddickenverteilung ist ein rotations- symmetrischer Becher. Die zur Herstellung benötigte Kavität und damit das Formteil weist einen Öffnungsdurchmesser von 60 mm, eine Tiefe von 40 mm und eine Entformungsschräge von 4° auf. Für diese Kavität wurde ein Vorstreckstempel in An- lehnung an Schwarzmann [IS16] konstruiert, wodurch eine Stempelwandschräge von ebenfalls 4° resultiert. Der Kantenra- dius verbindet die Stempelseitenwand mit der Stempelfläche am Boden des Stempels und beträgt 3 mm [IS16]. Ausgehend von diesem Stempel wurden weitere Stempel konstruiert, die sich in Wandschräge (8°, 12°) sowie Kantenradius (6 mm, 9 mm) unterscheiden ( Bild 1 ). Für das genaue Vorgehen zur Konstruktion der Vorstreckstempel sei auf [IS16], [HB18] sowie [HB19] verwiesen. Für die Untersuchungen wurde eine Polystyrolfolie der W.u.H. Fernholz GmbH & Co. KG, Meinerzhagen, mit einer Ausgangs- dicke von 0,8 mm verwendet, die besonders bei Verpackungen für Molkereiprodukte Anwendung findet. Die Folien wurden auf einer Einstationenformanlage mit ausgelagerter Heizstation Kiefel KD 20/25 der Kiefel GmbH, Freilassing verarbeitet. Um die Potenziale der Stempelverstreckung bei der Formung von Polystyrol zu verdeutlichen, ist in Bild 2 die Wanddickenvertei- lung einer Becherformteilhälfte ohne den Einsatz eines Vor- streckstempels dargestellt. Die Umformung erfolgte lediglich mit Formluft. Die Wanddickenverteilungen der resultierenden Formteile werden über den gesamten Becherquerschnitt bestimmt. Jeweils gegenüberliegende Messpunkt werden über fünf Formteile gemittelt und anschließend zur Übersichtlichkeit nur für eine Becherhälfte dargestellt ( Bild 2 ). Besonders auffäl- lig ist die Dünnstelle im Bereich der Messpositionen (MP) 6 und 7. Dort liegt die größte Verstreckung vor. Anschließend steigt die Wanddicke wieder an und resultiert in einer vergleichswei- sen dicken Wanddicke an der Öffnung des Bechers (MP 14). Die für die Untersuchungen gewählten konstanten Prozess- parameter beim Einsatz der Stempelverstreckung sind in Tabelle 1 zusammengefasst und resultieren aus den geometrischen Vorga- Tabelle 1: Prozesseinstellung – Konstante Parameter der Stempelverstreckung [HB18, HB19] Parameter Einheit Verstreckweg [mm] 37,8 Verstreck- [mm/s] 273 geschwindigkeit Druckluftzuschaltung [mm] 37,8 (Nach 100% des Verstreckwegs, resultiert aus [IS16]) Formdruck [bar] 5 Dauer der Formluft [s] 3

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