Extrusion 8-2020

29 Extrusion 8/2020 kommt aus einer sterilen Umgebung. Ohne Kunststoff werden sich Krankenhauskeime bedrohlich vermehren, Infusionen und Impfungen verteuern und Medikamente weniger lange haltbar sein. Die Folge: Erstmals seit 1871 könnte die Lebenserwartung wieder sinken. Folgenschwer ist die Situation auch im Lebens- mittelbereich: Obst und Gemüse kann nur mehr saisonal ange- boten werden, Fleisch gibt es nur mehr als Frischprodukt – die Preise haben sich dramatisch erhöht. „Der Verzicht auf Kunststoff könnte in Krankenhäusern und in der medizinischen Versorgung generell fatale Folgen haben. Erstmals seit 1871 würde die Lebenserwartung wieder sinken.“ – Auszug aus dem Szenario „Welt ohne Plastik“, Florian Kam- leitner, Projektmanager Kunststoff-Cluster, ecoplus Sankt Pöl- ten Ausweg gesucht Bei der folgenden Diskussion wurde eingeräumt, dass das Um- weltproblem gravierend und Kreislaufwirtschaft ein Gebot der Stunde ist. Auch die Fertigung von Kunststoffen aus anderen Quellen wie Erdöl ist ein Thema – hier spielen allerdings die Kosten eine entscheidende Frage, wie Katharina Resch-Fauster von der Montanuniversität Leoben betont. „Ein Verbot von Kunststoffen wäre eine fatale Entscheidung, deren Tragweite sich die Regierungen sehr genau überlegen müssen. Aber auch das Umweltproblem kann nicht wegdisku- tiert werden.“ Katharina Resch-Fauster, Montanuniversität Le- oben Im Lebensmittelbereich verursachen Lebensmittelabfälle rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgase. Hier sind vor allem die Haushalte gefragt, wenn es um eine Reduktion der Müllberge geht. In Österreich landen pro Jahr 206.000 Tonnen Lebensmit- tel im Mistkübel. „Die Bewusstseinsbildung in diesem Bereich ist noch schwach ausgeprägt“, kritisiert Johannes Mayerhofer von der Universität für Bodenkultur Wien. Bei den Verpackun- gen spielen vor allem die Hygiene und die Haltbarkeit eine wichtige Rolle. Ohne Folien müsste das Sortiment drastisch re- duziert werden – die Preise würden durch die Decke gehen. Al- ternativen wie verzehrbare Verpackungen und biobasierte Kunststoffe sind noch in den Startlöchern. „Die Menge an Lebensmitteln, die weggeworfen werden ist enorm. Bei der Abfallvermeidung müssen auch die Haushalte in die Pflicht genommen werden.“ Johannes Mayerhofer, Univer- sität für Bodenkultur Wien In der Medizin hielten Kunststoffe im Laufe der vergangenen 70 Jahre rasanten Einzug. Ob im Bereich medizintechnischer Produkte – wie einem modernen Hybrid-OP – oder in Form von Kunststoff-Cluster Business Upper Austria - OÖ Wirtschaftsagentur GmbH Hafenstraße 47-51, 4020 Linz, Österreich www.kunststoff-cluster.at sterilen Verpackungen und Schutzausrüstungen: „Kunststoffe sind in der Medizin und Hygiene inzwischen unersetzbar“, be- tont DGKP Thomas Freundlinger, Experte für Hygiene am Kep- ler Universitätsklinikum. Neben zahlreichen Verbesserungen in der Erstversorgung, Untersuchung und Diagnostik, Therapie, Verkürzung der Spitalsaufenthalte und einem reduzierten In- fektionsrisiko, verweist Thomas Freundlinger auch auf den ho- hen Stellenwert einer geordneten Entsorgung in den Spitälern. Dies ist auch ausschlaggebend dafür, den Recyclinganteil zu er- höhen. Hinsichtlich antimikrobieller Beschichtungen, die eine Anwendung von Recyclingmaterialien im medizinischen Be- reich zulassen würden, gibt es jedoch noch hohen Innovations- bedarf. Silberbeschichtungen, Nachbau von Haifischhaut und der Einsatz anderer mikrobieller Stoffe können die sterilen Ver- packungen bisher nicht kompensieren. „In der Medizin sind wir auf sterile Verpackungen angewiesen und müssen in einem Bündel von Hygienemaßnahmen arbei- ten. Die ‚eierlegende Wollmilchsau‘ wurde allerdings noch nicht gefunden. Momentan ist von den Materialien noch nicht wirklich das am Markt, was uns tatsächlich weiterhilft. Das The- ma Recycling beschäftigt uns jedoch seit einigen Jahren.“ Tho- mas Freundlinger, Kepler Universitätsklinikum / HYGline GmbH Florian Kamleitner, Projektmanager Kunststoff-Cluster, ecoplus Sankt Pölten diskutierte mit Expert*innen über das Thema „Welt ohne Plastik“ (Credit: Ecoplus) www.smart-extrusion.com

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