Extrusion 8-2023

Der westeuropäische Markt für textile Bodenbeläge ist mit einem Volumen von circa 700 Mio. m² (Stand 2019) der zweitgrößte Weltmarkt nach den USA [Lan19, OT23, URL23a]. Hierzu gehören neben Teppichen auch Boden- fliesen und Kunstrasen. Europaweit fallen jährlich 1,6 Mio. t. textile Boden- beläge als Abfall an, von denen etwa 400.000 t durch thermische Verwer- tung dem Stoffkreislauf entzogen werden [URL23a]. Die Bodenbeläge bestehen zu großen Antei- len aus recyclingfähigen Thermoplasten (Polyamide (PA), Polypropylen (PP), Polyester (PET)) sowie einer Latexbeschichtung [URL23a]. Die Kaschierung textiler Bodenbeläge mit Latex ist ein sehr kostengünstiges Verfahren, welches jedoch ein nicht recycelbares Material in eine ansonsten kreislauffähige Mischung von Thermoplasten einbringt. Aufgrund der begrenzten Abtrennbarkeit von Latex ist ein werkstoffliches Recycling von textilen Bodenbelägen nach ihrer Nutzungsphase derzeit wirtschaftlich und technisch kaum umsetzbar [URL23d]. Insbesondere für hochpreisige technische Kunststoffe wie PA6 und PA6.6 werden jedoch Alter- nativen zum thermischen Recycling gefordert [BDGI01]. Des Weiteren eignen sich textile Bodenbeläge durch die von anderen Abfallströmen isolierte Sammlung für das werkstoffliche Recycling, wodurch die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft im Bereich der textilen Bodenbeläge ökologisch und ökonomisch attraktiv ist [CRHR21, URL23b, URL23c]. 43 Extrusion 8/2023 Recycling – Aus der Forschung Neues Vorhaben zur Entwicklung kreislauffähiger Teppiche durch innovative Folienbeschichtung Z ur Untersuchung der offenen Fragestellungen bezüglich des werkstofflichen Recyclings latexhaltiger und der Produktion kreislauffähiger textiler Bodenbeläge beschäftigen sich das Ins- titut für Kunststoffverarbeitung (IKV) und das TFI - Institut für Bodensysteme an der RWTH Aachen e. V. im Rahmen eines For- schungsvorhabens mit der Schließung des Stoffkreislaufs für tex- tile Bodenbeläge auf Basis von PA6. Diese machen auf dem deutschen Markt den größten Anteil aus. Konventionelle Teppichherstellung und Herausforderungen des mechanischen Recyclings Der Großteil der beschriebenen Bodenbeläge wird mit der Tuf- tingtechnik nach einem Sandwich-Aufbau hergestellt, der in Bild 1 schematisch dargestellt ist. Hierbei durchstechen Nadeln mit dem Polgarn (meist PA oder PP) senkrecht ein Trägermaterial Bild 1: Sandwich-Aufbau eines konventionellen getufteten textilen Bodenbelags mit einer Polgarn-Nutzschicht (z.B. PA6, PA6.6, PP), einer Trägerschicht (z.B. PP, PET), einem Latex-Vorstrich, einem Latex-Kaschierstrich und einer Rückenschicht (z.B. PP, PVC) Polgarn-Nutzschicht Trägerschicht Latex-Vorstrich Latex-Kaschierschicht Rückenschicht (meist PP oder PET). Auf der Unterseite der Trägerschicht wird das Polgarn von Greifern übernommen und so zu Schlaufen geformt, welche den Pol des Bodenbelags bilden. Die freiliegenden Pol- noppen werden in einem zweistufigen Nassbeschichtungsverfah- ren mit einer Latexdispersion verfestigt [URL23d]. Der Vor- und Kaschierstrich bestehen vor allem aus Synthese-Latex und Füll- stoffen wie Calciumcarbonat. Anschließend wird ein textiler Rük- ken aufgebracht, welcher aus Chemiefasern (PP, PET), Naturfasern (Jute, Wolle) oder Mischungen dieser Materialien bestehen kann [URL23e]. Eine Herausforderung, um das werkstoffliche Recycling konven- tioneller Bodenbeläge zu ermöglichen, ist die Entfernung der Störanteile unter materialschonenden Bedingungen. Um die Molekülstruktur und somit die mechanischen Eigenschaften des Kunststoffs zu erhalten, muss die thermische und mechanische

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