Extrusion 6-2022

Maßgeschneiderte Kunststoffcompounds liegen im Trend Warum werden Additive in Kunststoffen eingesetzt und warum Füllstoffe? Prof. Bonnet : Nur wenige Kunststoffe sind im Rohzustand zu- friedenstellend verarbeit- und verwendbar. Hitze und Luftsauer- stoff würden den Kunststoff bereits bei der Verarbeitung signifikant schädigen. Aber auch bei möglichen Lagerungen oder spätestens beim Gebrauch wird das Kunststoffbauteil Um- welteinflüssen ausgesetzt, die über kurz oder lang zu einer deut- lichen Schädigung und damit zu Einbußen in den Material- eigenschaften führen würden. Zu diesen Umweltbedingungen gehören alle flüssigen und gasförmigen Medien, mit denen der Kunststoff in Kontakt kommen kann, energiereiche Strahlung – allem voran der UV-Anteil aus dem Sonnenlicht – und ggf. er- höhte Temperaturen. Nicht nur, um den Kunststoff verarbeitbar zu machen und vor den genannten Umwelteinflüssen zu schüt- zen, sondern auch um Eigenschaften und das Aussehen zu op- timieren, werden in Kunststoffen eine Vielzahl von Additiven eingesetzt. Erst diese Additive sind es, die aus vielen Kunststof- fen effektive Werkstoffe machen. Neben den Additiven sind auch die verschiedensten Füllstoffe heutzutage aus Kunststof- fen nicht mehr wegzudenken. Diesen Umstand verdanken sie nicht nur der Tatsache, dass sie in aller Regel zur Kostensenkung beitragen, sondern durch immer besser angepasste Typen und Neuentwicklungen viele Produkteigenschaften überhaupt erst ermöglichen. Sind diese vielfältigen Möglichkeiten der Hauptgrund für den Erfolg des Werkstoffes Kunststoff? Prof. Bonnet : Sicherlich wären hier noch viele andere wichtige Eigenschaften des Werkstoffes Kunststoff, wie beispielsweise seine geringe Dichte zu nennen, aber natürlich erlauben Addi- 24 Füllstoffe und Additive – Interview Extrusion 6/2022 tive und Füllstoffe die Eigenschaften der Kunststoffe noch einmal ganz gezielt auf die jeweilige Anwendung hin zu optimieren. Dadurch lassen sich mit verhältnismäßig wenigen Kunststoffen ein breites Eigenschaftsspektrum durch die richtige Rezeptur- entwicklung abdecken. Gibt es heutzutage noch Kunststoffe, die nicht maßge- schneidert sind? Prof. Bonnet : Eigentlich so gut wie nicht mehr. Ein Gutteil der Füllstoffe und Additive wird in aller Regel bereits beim Form- massenhersteller, dem so genannten Compoundeur zugegeben. Da bei einigen Kunststoffverarbeitungsmethoden eine Einarbei- tung von Füllstoffen und Additiven nur schwer zu realisieren ist, beziehen diese Verarbeiter fertige Formmassen (Compounds) beim Compoundeur. Bei vielen anderen Kunststoffverarbei- tungsmethoden können aber auch bei der Endverarbeitung noch Füllstoffe und Additive zugesetzt werden. Wie sicher sind nach Ihrer Einschätzung Lieferketten? Bei komplizierten Produkten mit vielen Additiven besteht auch ein gewisses „Ausfallrisiko“ einzelner Bestandteile, oder? Prof. Bonnet : Ich denke, dass das Ausfallrisiko beherrschbar ist, da es kaum Füllstoffe und Additive gibt, die nur von einem Her- steller angeboten werden. Hier tun alle Verarbeiter deshalb gut daran, diese von verschiedenen Herstellern ausgetestet und frei- gegeben zu haben. Sie unterstützen das SKZ beim Seminar "Füllstoffe und Additive" seit vielen Jahren. Was macht die Veranstal- tung so interessant? Füllstoffe und Additive spielen eine entschei- dende Rolle, um maßgeschneiderte Kunststoff- compounds für vielfältige Einsatzgebiete zu ermöglichen. Prof. Dr. Martin Bonnet (Bild) vom Institut für Werkstoffanwendung an der TH Köln leitet am Kunststoff-Zentrum SKZ in Peine ein Seminar zum Thema. Alexander Hefner, Vertriebs- mitarbeiter am SKZ, führte ein Interview mit Pro- fessor Bonnet, in dem er fünf kurze Fragen zu diesem wichtigen Thema beantwortete.

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