Extrusion 5-2025

Folge 94 – Mo erklärt die physikalischen Zusammenhänge beim Trocknen. UmMaterial zu trocknen, ist ihm die Feuchtigkeit zu ent- ziehen. Das klingt zunächst sehr platt. Vordergründig na- heliegend ist die Idee, eine möglichst hohe Trocken- temperatur zu wählen, um das Material schnell zu trock- nen. Schließlich steigt mit höherer Temperatur die Auf- nahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf. Dem sind allerdings durch das Material selbst Grenzen gesetzt, denn schließlich darf der Kunststoff nicht geschädigt werden. Folglich muss die Trockentemperatur beispielsweise deut- lich unter dem Schmelzpunkt bleiben. (Auf weitere Schädi- gungsmöglichkeiten soll hier nicht näher eingegangen werden.) Doch auch mit einer Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes in Verbindung mit einer längeren Trok- kendauer sind Risiken verbunden, etwa die Übertrocknung des Materials. Wie also das Wasser aus dem Granulat bekommen, ohne letzteres zu schädigen? In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von Bedeutung: • die Bindungskräfte zwischen den Wasser- und den Kunststoffmolekülen, sowie Wie funktioniert nun "Trocknen"? • die Dampfdruckdifferenz zwischen dem Dampf- druck an der Oberfläche des Kunststoffs und dem Partialdampfdruck von Wasser in der Luft, auch als Konzentrationsgefälle bezeichnet. Bei den Bindungskräften zwischen den Wasser- und den Kunststoffmolekülen, den so genannten Van-der-Waals- Kräften, handelt es sich ummaterialspezifische, schwache Kräfte, die von der Stärke der polaren Gruppen imMaterial abhängen. Mit steigender Temperatur verringern sich die Kräfte zwischen den Wasser- und den Kunststoffmolekü- len. Ein Beispiel aus der Natur für die Wirkungsweise der Van-der-Waals-Kräfte liefern Geckos: Sie haben an den Füßen viele feine Härchen, die jeweils nur wenig Kraft über- tragen können. Aufgrund der Vielzahl an Härchen und der damit verbundenen Summe aller Kräfte ist es Geckos den- noch möglich, Decken und Wände entlang zu laufen. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Dampfdruckdiffe- renz, das so genannte Konzentrationsgefälle. Es wird be- stimmt durch die Differenz zwischen der Ausgangsfeuchte des zu trocknenden Materials und dem Feuchtegehalt (Taupunkt) der Trockenluft. Dahinter steckt das Bestreben von hygroskopischen Materialien, ein Feuchtegleichge- wicht mit der sie umgebenden Luft herzustellen. Dieses Feuchtegleichge- wicht ist abhängig von der Kunststoff- art und -temperatur sowie von den Klimadaten der Luft (relative Feuchte, Temperatur und Druck). Durch Erwär- men der Luft oder eine tiefere Tau- punkttemperatur entsteht eine Dampfdruckdifferenz (und damit ein Konzentrationsgefälle) mit der Folge, dass das Wasser vom Granulat zur Luft diffundiert. Bei höheren Temperaturen gibt das Granulat aufgrund nachlas- sender Bindungskräfte das Wasser leichter ab, während gleichzeitig die Luft das Wasser wesentlich „begieri- ger“ aufnimmt. Die Wasser-Affinität der Luft steigt. Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser aus dem Granulatinneren zur Oberfläche diffundiert, die sogenannte Diffusionsgeschwindigkeit, ist ihrer- Wassergehalt in g/m³ bei verschiedenen Taupunkten (Alle Bilder: motan) Wassergehalt [g/m 3 ] Taupunkt [C°] 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -39 -37 -35 -33 -31 -29 -27 -25 -23 -21 -19 -17 -15 -13 -11 -9 -7 -5 -3 -1 1 3 5 7 9 Serie mit Tipps und Tricks Extrusion 5/2025 38

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